Wofür braucht es noch einen Desktop?


Clean Desktop Policy
Clean Desktop Policy

Mit Windows 8 wurde endlich das unsägliche Windows Startmenü obsolet. Wer nicht gerade ein Windows RT verwendet, hat jedoch immer noch den Desktop, allerdings ohne Startmenü, zur Verfügung. Das führte dann wohl dazu, dass viele Anwender sich bis heute nicht beruhigen wollen, weil Sie nun nicht mehr das gewohnte Startmenü aufklappen können. Dass die Kachelansicht nur ein besseres Startmenü darstellt, mag manchen Benutzern nicht eingehen. Aber wie wäre dieser Aufschrei wohl ausgefallen, wenn Microsoft auch gleich noch den Desktop entfernt hätte?

Was ist ein Desktop?

Wollte man eine technische Definition für einen Desktop versuchen, könnte die wie folgt lauten:

Ein Desktop ist

  • ein personalisiertes Verzeichnis,
  • das zur Ablage von Dateien verwendet werden kann,
  • das über die Eigenschaft eines Hintergrundbildes verfügt und
  • das sich letztlich immer im Hintergrund auf der Bildschirmoberfläche befindet (bzw. alles andere sich davor befindet).

Das war es aber auch schon. Die Task-Leiste, auf der u. a. das Startmenü untergebracht ist, hat prinzipiell nichts mit dem Desktop zu tun, gleiches gilt für die Schnellstartleiste und alle anderen Leisten, die am Bildschirmrand / oberhalb des Desktops untergebracht werden können. Auch die mit Vista eingeführten Widgets sind letztlich nur ausgeführte Anwendungen, die an bestimmten Positionen des Bildschirms vor dem Desktop platziert sind.

Ein Blick in die Historie zeigt, dass schon Macintosh und Atari den Grundstein für den heute gebräuchlichen Desktop gelegt haben:

Desktop bei Macintosh
Desktop bei Macintosh
Atari TOS Desktop
Atari TOS Desktop

Neben den geöffneten Fenstern lassen sich die Symbole für Datenträger und Papierkorb erkennen.  Auch die Ablage von Programm- und Dateiverknüpfungen wurde hier schon „gepflegt“.

Wofür verwendet man einen Desktop?

Die Frage ist berechtigt. Wenn ich meinen Desktop in der Arbeit ansehe, gewinne ich den Eindruck, dass es ein Spiegel meiner Schreibtischoberfläche zuhause ist – primär also einer gewissen Unordnung unterworfen. Dabei ist der Zustand zwischen privat und geschäftliche genau gegensätzlich: die Clean Desk Policy in der Arbeit zwingt einen, den Schreibtisch sauber zu halten, dafür wird der Desktop mit digitalen Dokumenten zugemüllt. Zuhause ist es genau umgekehrt. Der Desktop ist (fast) leer, dafür ist der Schreibtisch etwas überfrachtet.

Neben Standardsymbolen wie Arbeitsplatz, Netzwerk, Papierkorb oder spezifischen Anwendungsverzeichnissen, lassen sich auf einem Desktop Dateien und Verzeichnisse, aber auch Links – die ja nichts anderes als Dateien sind – zusätzlich zu den anderen Objekten auf dem Desktop hinterlegen. Wohin mit dem Download einer Datei, dem Anhang aus einer E-Mail oder einer temporär erzeugten Datei? Dafür bietet sich häufig der Desktop an. Man nimmt sich vor, die Datei später zu verschieben oder zu löschen, vergisst es aber dann meist. Und so sammelt sich trotz mehr oder weniger regelmäßiger Aufräumaktionen immer wieder nach kurzer Zeit eine erhebliche Anzahl von mehr oder weniger wichtigen Dateien auf dem Desktop. Es soll sogar Leute geben, die mangels Platz im Startmenü und auf der Schnellstartleiste zusätzlich noch Verknüpfungen zu wichtigen Programmen auf dem Desktop ablegen (das sind übrigens die selben Leute, die die Kacheln kategorisch ablehnen!).

Desktop-Less

Mit Windows RT hat Microsoft aber schon einmal gezeigt, dass es keinen Desktop braucht. Sobald eine App aus dem Start Screen (man bemerke: Startmenü -> Start Screen = Kacheloberfläche), schaltet sich diese in den Vordergrund, bis sie sich den Bildschirmplatz mit einer anderen App teilt oder in den Hintergrund verschoben oder geschlossen wird. Man merkt sehr schnell, dass man ohne Desktop auskommt. Zwar lässt sich der mittels Jail Break wieder zurück holen, aber wofür wird der – außer als Dateiablage – tatsächlich gebraucht? Die Antwort muss eigentlich lauten: für nichts.

Man stelle sich also vor: es gibt keinen Desktop mehr. Wohin würden wir die Dateien speichern? Vermutlich würden wir uns ein Verzeichnis definieren, wo genau diese temporären Dateien abgelegt werden können. Der Unterschied zum Desktop ist dabei marginal, aber der Vorteil ist offensichtlich: die Unordnung ist erst auf den zweiten Blick sichtbar. Startmenü-Fetischisten würden das Verzeichnis vermutlich Desktop nennen ;-).

Fazit

Der Verzicht, den Desktop als Dateiablage zu verwenden, ist in etwa vergleichbar damit, das Rauchen aufzugeben: die Kunst ist nämlich, mit den schlechten Angewohnheiten nicht wieder anzufangen. Wer es schafft, längerfristig keine Dateien, Verzeichnisse oder Links auf dem Desktop abzulegen, wird sehr bald feststellen, dass er den Desktop – außer für den Bildschirmhintergrund (wohlgemerkt nicht Desktophintergrund!) – eigentlich nicht braucht.

8 Kommentare zu „Wofür braucht es noch einen Desktop?

  1. Super Artikel. Genau meine Meinung. Das Problem ist, dass viele Leute nichts dazulernen wollen. Startmenü und Desktop braucht man nicht, wenn man die Kacheln hat.

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  2. Da ich mir nur schlecht Dateinamen merken kann, aber Positionen (wo liegt was) viel besser, merke ich mir ohne großen Aufwand die Positionen von Dateien auf dem Desktop. Das geht sogar soweit, dass ich den Desktop in Bereiche unterteilt habe. Thematisch ähnliche Dateien liegen nebeneinander. So kann ich ohne groß zu Überlegen, wie genau die Datei heißt, die Datei wiederfinden. Dazu ist der Desktop perfekt.
    Die Fenster lassen sich auf der Desktop-Seite besser handeln, als auf der Kachel-Seite. Ich muss dazu sagen, ich nutzte zwei Bildschirme.

    Bitte meinen letzten Post entfernen.

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    1. Man kann sogar mehr als einen Desktop haben – es gibt spezifische Software dazu. Aber trotzdem: das, was Du machen möchtest, kannst Du auch auf zweierlei Wegen erreichen:
      1. Du definierst ein Desktop-Verzeichnis in Deinen Dokumenten-Verzeichnis und wählst eine Symbolansicht – das ist fast wie ein Desktop. Das wiederum kann Du in den Favoriten verlinken und mit Windowstaste+E ganz schnell im Explorer sehen.
      2. Du dockst die häufig gebrauchten Dokumente an die Applikation in der Taskleiste an – das ist sehr komfortabel, hat aber seine Grenzen, wenn Du alles mit einer Anwendung machst (z. B. nur Word-Dokumente)
      Was ich beim Desktop immer schwierig finde: manchmal werden die Symbole durch Bildschirmwechsel (ich verwende unterwegs Laptop und Docking zuhause) immer mal wieder neu angeordnet werden. Dann ist eine geliebte Ordnung ganz schnell dahin.

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  3. Die Möglichkeit mehr als einen Desktop (virtueller Desktop) wird jetzt auch mit Windows 10 mitgeliefert.

    Wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, ist es laut Deiner Theorie besser, wenn es gar keinen Desktop mehr geben würde. Damit würde die beiden oben beschriebenen Lösungen gar nicht mehr funktioneren. Der Datei-Explorer auf Kachel-Basis ist IMHO nicht mal halb zu gut, wie der richtige Datei-Explorer; es fehlt einfach die Hälfte.

    Zu dem Problem, dass die Icons durcheinander geworfen werden, gibt es ein oder zwei gute Programme, die den Zustand des Desktop speichern und wiederherstellen können. „DesktopOK“ ist ein Beispiel dafür.

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    1. Merkst Du es? Der Desktop funktioniert also ohne Zusatzprogramme, die die Position wieder herstellen eben auch nicht. Aber ich wollte nicht falsch verstanden werden. Die Frage ist nur, ob es den Desktop wirklich braucht. Wenn ein Desktop eh nur ein Ordner ist, dann sage ich mal nein. Was hältst Du von der Möglichkeit, Dokumente an die Anwendung anzudocken? Ich finde das sehr praktisch weil es den Desktop echt entlastet.

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  4. Also ich brauche den Desktop – wie schon geschrieben – um Dokumente wiederzufinden. Allerdings gibt es auf anderen Tablets/Betriebssystem ja auch eine Oberfläche auf der ich Icons hinzufügen und anordnen kann, damit ich die Apps wiederfinden kann. Ob das nun Desktop, Startseite, Homescreen oder sonst irgndwie heißt, ist doch egal.

    Die Möglichkeit Dokumente an die Taskleiste anzuheften ist super. Allerdings kann auch die relativ schnell voll werden (also die Taskleiste aber auch die Liste mit den Doks). Dann wäre die Übersicht wieder hinüber.
    Noch eine Sache zu der Taskleiste, die Taskleiste würde es ohne Desktop auch nicht geben. In der Kachel-Ansicht gibt es eine „Light“ Tastleiste.

    Ich verstehe halt nur nicht, wie man so _für_ die Kacheln sein kann, obwohl sich die „Desktop“-Oberfläche jetzt seit mittlerweilen 20 Jahren (Windows 95) etabliert und gefestigt hat. Never change a running system. 😉

    Nur als Beispiel, es gibt auch Computer-Jobs, die nicht auf einem Tablet-PC machbar wären.

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    1. Ok, man muss zwei Dinge unterscheiden: Kacheln vs. Startmenü (was im Prinzip dasselbe ist) und Kacheln vs. Desktop (nicht das gleiche, weil Dokumente nicht so ohne Weiteres als Kacheln abgelegt werden können).
      Die Taskleiste kann auch ohne Desktop existieren, es ist ja auch nur eine Anwendung, die als Fenster permanent am unteren Bildschirmrand eingeblendet ist und das Wechseln zwischen den Anwendungen ermöglicht.
      Meine Überlegung war, ob man ohne Desktop auskommen kann. Dein Beispiel zeigt, dass Du es als Dateiablage nutzt – was im Prinzip eine Verzeichnisfunktion ist. Wesentlich ist für Dich die Anordnung der Elemente, damit Du sie schnell wieder findest. Das kann ein Ordner nicht vollumfänglich gewährleisten. Ich behelfe mir in diesem Fall mit speziellen Symbolen, die ich den Links zuweise und einer bestimmten Beschriftungssystematik.
      Übrigens könntest Du auch die Suchfunktion nutzen. Das setzt voraus, dass Du den Indizierungsdienst verwendest (hierzu habe ich hier auch schon einmal eine Reparaturanleitung gepostet, wenn der nicht mehr funktioniert: http://wp.me/pSl3C-8P). Wenn Du den Speicherort Deiner Dokumente indizierst, dann findest Du das betreffende Dokument ganz schnell über die Suchfunktion (allerdings nur über den Explorer, die Suchfunktion auf dem Kachelbildschirm funktioniert hier nur bedingt gut).
      Noch eine Frage: legst Du Links oder die Dokumente selbst auf den Desktop?

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